Der Zettelstein.
Die Geheimnisse eines steinernen Sachzeugen
Der in der Umgegend als Zettelstein bekannte Gesteinsblock ist ein sogenannter Fronstein. Er hatte einst seinen Platz am Weg zwischen Zschopau und Hofwiese, auf halben Weg zwischen Lichtenwalde und Niederwiesa.
Der Stein misst 60 x 80 x 50 Zentimeter und weist an der Rückseite ein faustgroßes, quadratisches Loch auf. Die eben gearbeiteten Front- und Seitenflächen sind mit einer Zickzackgravur versehen. An den Seiten und an der Rückseite sind parallele durchgehende Zickzacklinien eingearbeitet; an der Vorderseite hingegen wirr verteilte Zickzackartefakte. Wobei sich die Seitenlinien um die Kante herum fortsetzen, im Zentrum jedoch Wirrwarr herrscht. Von der Rückseite über die linke Seite bis zur Vorderseite ist eine obere Simslinie zu erkennen. Die Oberseite erscheint wie eine unregelmäßige Bruchfläche und scheint nach hinten abzufallen. Tatsächlich jedoch ist die Unterseite nicht im rechten Winkel, sodass der Stein geneigt liegt. Anhand der Musterung und der Simslinie ist die deutlich zu erkennen. Der Stein wirkt, als ob er einst ein Teil eines anderen Bauwerks war und als Bruchstück umgenutzt wurde. Die Gesteinsart ist nicht bekannt. Wie das Loch verschlossen wurde, ebenfalls; man liest von einem Gitter oder auch von einem passenden Gesteinsverschluss.
Der Fronstein diente der Übergabe von Anweisungen zu Frondiensten. Ein Bote des Lichtenwalder Grundherrn hinterlegte dort einen Zettel, vielleicht auch geschützt durch eine Kapsel, mit den Anweisungen für den kommenden Tag. Täglich holten ein Bote aus Niederwiesa und ein Braunsdorfer Einwohner mit einem Kahn die Nachrichten ab. Eine Brücke direkt bei Braunsdorf gab es damals noch nicht.
Unklar ist, ob der Stein tatsächlich eine Funktion als Zettelstein hatte, denn Quellen aus seiner Funktionszeit, also Zeitzeugen, sind nicht bekannt. Lediglich die spätere Literatur greift die Funktion des Steins auf und zitiert teilweise „alte Einwohner“, Hörensagen also. Zudem ist kein weiterer Zettelstein bekannt. Der Zeitpunkt der Aufstellung ist ebenso unklar. Joachim Seyffarth datiert den Stein in das 17. oder 18 Jahrhundert, eine Broschüre der Gemeinde Niederwiesa gar ins Jahr 1450.
Am 11. September 1951 wurde der seit einigen Monaten in der Zschopau liegende Zettelstein durch die Kameraden der Lichtenwalder Feuerwehr geborgen. Nach einiger Zeit im Hof der Parkgaststätte fand er schließlich im Lichtenwalder Park neben dem „Handtuch“ einen neuen Platz.
Der Zettelstein sei das einzig erhaltene Denkmal seiner Art in Sachsen. Aber auch sonst konnte bislang kein weiterer Fronstein mit dieser Funktion eindeutig ausgemacht werden. Einzig in der Schweiz konnte ein Hinweis aus dem Jahr 1887 gefunden werden, in dem einem deutlich kleineren Stein eine mögliche Funktion als Zettelstein zugeschrieben wird.
Solange keine weiteren Belege für Zettelsteine bekannt werden, ist die Funktion des Steins zunächst sehr vorsichtig zu interpretieren. Sollte sich jedoch diese Bestimmung bewahrheiten, so liegt hier ein zumindest deutschlandweit einzigartiges und äußerst schützenswertes Zeitdokument vor.
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Heiko Lorenz, 2015
Mittlerweile wurde von Heimatfreunden 2017 ein Zettelstein No. 2 an der Hofwiese aufgestellt.